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Vorlage - 2022/043  

Betreff: Sachstand Schottergärten und versiegelte Flächen im Landkreis Peine
Status:öffentlichVorlage-Art:Informationsvorlage
Federführend:Fachdienst Umwelt Bearbeiter/-in: Gottschalk, Martina
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz Kenntnisnahme
29.03.2022 
Sitzung des Ausschusses für Umwelt- und Verbraucherschutz zur Kenntnis genommen   

Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n


 

Im Budget enthalten:

nein

Kosten (Betrag in €):

0 €

Mitwirkung Landrat:

nein

Qualifizierte Mehrheit:

nein

Relevanz

Gender Mainstreaming

nein

Migration

nein

Prävention/Nachhaltigkeit

nein

Bildung

nein

Klima-/Umwelt-/Naturschutz

ja

 

 


 


Das Dezernat II für Umwelt-, Bauen- und Verbraucherschutz, zuständig für die Bauordnung sowie untere Naturschutzbehörde hat die bisherigen Anfragen und Initiativen zum Thema „Schottergärten“ aus den Jahren September 2018 bis 2022 zum Anlass genommen, die Thematik in der vorliegenden Informationsvorlage zu behandeln.

 

In den letzten Jahren fallen vermehrt Fälle in Baugenbieten und Vorgartenflächen im Landkreis Peine auf, in denen deutlich versiegelte Flächen mit einer reduzierten Bepflanzung wahrnehmbar sind. Umgangssprachlich werden diese Flächen als „Schottergärten“ thematisiert. Diese Flächen werden in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend sehr kritisch gesehen, weil es an einer fehlenden Grünwirkung fehlt.

 

Durch die hohe Versiegelung geht den Insekten natürlicher Lebensraum verloren, da sie dort weder Nahrung noch Rückzugsmöglichkeiten finden. Die Bodenqualität verringert sich und wird funktionslos. Ohne schützende Bepflanzung oder schattenspendende Bäume heizen sich Schottergärten in der Sonne viel stärker auf als naturnahe Gärten und strahlen die Wärme abends wieder ab. Pflanzen dagegen verdunsten Feuchtigkeit, kühlen die unmittelbare Umgebung ab und filtern Staub aus der Luft. Eine Reduzierung von Stein- und Schottergärten wirkt sich somit positiv auf den Lebensraum von heimischen Tieren und Pflanzen aus und trägt zudem zum Erhalt von Natur und Umwelt bei.

 

Die Niedersächsische Bauordnung regelt in § 9 den Umgang mit „nicht überbauten Flächen bebauten Grundstücke“ und bestimmt für diese Flächen auch, dass sie als Grünflächen anzulegen sind. Auch ermächtigt der § 9 Abs. 2 der Nds. Bauordnung (NBauO) gemeinsam mit § 79 Abs.1 die Bauaufsichtsbehörde zu einem möglichen Einschreiten, um die Beseitigung von ökologisch negativ bewerteten Schottergärten zu verlangen.

 

Dabei steht das Einschreiten der Behörde in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung der Ermessensentscheidung, ob und ggf. wie eingeschritten werden soll. An dieser Stelle ist seitens der Bauaufsichtsbehörde insbesondere der Gleichheitsgrundsatz zu beachten. Um eine einheitliche und rechtssichere Vorgehensweise zu gewährleisten, müssten für eine ganzheitliche Beurteilung alle Schottergärten innerhalb des gesamten Landkreises nach identischen Parametern dokumentiert und beurteilt werden.

 

Dabei kann nur innerhalb von Baugebieten mit Bebauungsplan aufgrund bestehender Festsetzungen von festen Variablen ausgegangen werden. Eine weitere Möglichkeit wäre das Erlassen örtlicher Bauvorschriften durch die Gemeinden, die explizit das Verbot aller Arten von Schottergärten regeln.

 

r Gebiete mit Bebauungsplan hat der Landkreis Peine - unter Berücksichtigung aktueller fachlicher Erkenntnisse - die vorgegebene Grundflächenzahl als Hilfsgröße heranzuziehen, um einheitlich gegen vollversiegelte Flächen vorzugehen. Im unbeplanten Innenbereich gem. § 34 Baugesetzbuch kann eine identische, rechtssichere Vorgehensweise aufgrund fehlender Grundflächenzahlen nicht vorgenommen werden.

 

Die Bauaufsichtsbehörde schreitet anlassbezogen gegen Schotterflächen ein, wenn diese mittels Folie/Vlies als versiegelte Fläche gemeinsam mit anderen Nebenanlagen die Grundflächenzahl in einem Bebauungsplangebiet überschreiten. Werden die zulässigen baurechtlichen Vorgaben eingehalten oder wurde die Kiesfläche insektenfreundlich und wasserdurchlässig gestaltet, so besteht seitens der Bauaufsicht kein Anlass zu handeln.

 

Weiter muss bei einer verstärkten bauaufsichtlichen Überpfung von Grundstücken mitberücksichtigt werden, dass neben Schotterflächen ebenfalls alle weiteren baurechtlichen Vorgaben zwingend mit überprüft werden müssen. Dazu gehören mögliche baurechtswidrige Zustände, wie abweichende Bauausführungen der Geschossigkeit, Überbauung, Lage der Bauvorhaben auf dem Grundstück etc.

 

Dies führt in den meisten Fällen zu einem großen Unmut der betroffenen rgerinnen und rger, der ergänzend dazu oft mit einem hohen Kostenaufwand und langwidrige, komplizierten Verwaltungs- bzw. Klageverfahren verbunden ist. Insbesondere am Beispiel „Groß Ilsede-Nord“ wird diese Tatsache deutlich. Es muss zudem berücksichtigt werden, dass die Aufnahme und Ahndung von Schottergärten nur in den seltensten Fällen zu einer zügigen Beseitigung der Flächen aufgrund einer Einsicht des Betroffenen führt.

 

Bauaufsichtsbehörden haben als Gefahrenabwehrbehörden, neben der Bearbeitung von Genehmigungsverfahren, darüber zu wachen und darauf hinzuwirken, dass bauliche Anlagen, Grundstücke und Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht entsprechen. Wenn die Bauaufsicht verstärkt gegen Schottergärten vorgehen soll, so sind weitere personelle Ressourcen erforderlich. Die Bearbeitung anderer Verfahren und Aufgaben muss weiterhin gewährleistet bleiben und darf nicht zurückstehen. Dies betrifft insbesondere ein Einschreiten der Bauaufsicht in akuten Gefahrensituationen.

 

Daher muss die Bearbeitung dieser Verfahren sowie die der originären Aufgaben neben dem Einsatz gegen Schottergärten weiterhin gewährleistet bleiben. Erfahrungsgemäß nimmt das Einschreiten gegen Kiesbeete einen hohen Zeitanteil ein, wie bereits von vorherigen Verfahren abgeleitet werden kann. Bei einem verstärkten Einsatz der Bauaufsicht gegen Schottergärten und versiegelte Flächen ist demzufolge mindestens ein technischer Sachbearbeiter sowie ein Verwaltungssachbearbeiter erforderlich, da neben einer baurechtlichen Beurteilung und Bearbeitung ebenfalls eine umfassende nachfolgende Begleitung der Verwaltungsvorgänge bis hin zu einem möglichen Klageverfahren erfolgen muss.

 

Demzufolge hat es seit 2019 ebenso eine verstärkte aktive Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung zu den negativen Folgen von Schottergärten gegeben. Ziel war bei allen Aktivitäten, möglichst umfänglich verantwortliche Akteurinnen und Akteure einzubinden. Unter anderem gab es nachfolgende Aktivitäten im Landkreis Peine, welche durch die Kreisverwaltung initiiert wurden:

 

-          ein allgemeines Informationsblatt in Zusammenarbeit mit der Klimaschutzagentur für die Bürger.

 

-          öffentliche Vortragveranstaltung Klimaschutz, z. B. Gemeinde Lengede,

Teilnahme der FDL 26 / Beantwortung zu Fragen zum Thema Schottergärten.

 

-          Informationsschreiben an Gartenbaubetriebe im Landkreis Peine,

Hinweisschreiben zur Aufklärung der Kundschaft / negative Auswirkungen von Schottergärten inkl. Kontaktangaben zur Beratung.

 

-          Aufnahme von Hinweisen, Aufklärungsunterlagen, Broschüren etc. auf der Homepage des LK Peine (Bauordnung und Klimaschutzagentur); u. a. zu Insektenschutz, Grundflächenzahl etc.

 

-          Einbindung aller Gemeinden – Abstimmung mit der Stadt Peine / mehr Steuerung über Bauleitplanung Planungshoheit, Aufklärungsarbeit durch die Gemeinden etc.

 

-          Erarbeitung eines verwaltungsseitigen „Einschreitungskonzeptes“ zum ordnungsrechtlichen Umgang mit Schotterflächen das sich z. B. an dem „Störungsgrad“ von Schottergärten (definiert u. a. durch Größe, Sichtbarkeit, Häufung) orientiert.

 

-          Anlassbezogene Einzelfallprüfungen vor Ort, Überprüfung des Baugebietes „Groß Ilsede-Nord“ (September 2020), vor Ort Termin mit Bürgermeister, Ortsbürgermeisterin, Dez. 2 und Verwaltung, direkte Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort / Aufnahme von Gespräche

Anschließend baurechtliche Überprüfung diverser Gärten; Einleitung baurechtlicher Verfahren. 

 

-          Baugenehmigungen vom Landkreis Peine, direkte Aufnahme Hinweis in Baugenehmigungen

 

 

Es ist vorgesehen, die weitere konkrete Vorgehensweise gemeinsam in den politischen Gremien zu erörtern. Dabei werden weitere Anreizsysteme notwendig sein, um durch zusätzliche Informationen zu sensibilisieren, eventuell durch Zuschüsse einen Rückbau von Schotterflächen zu fördern, mit Nachdruck verstärkt städtebauliche Instrumente in der Bauleitplanung bei neuen Bebauungsplänen anzuwenden, weitere Kampagnen gerade für Gebiete ohne Bebauungsplan / Siedlungskerne von Gemeinden und Stadt, zu erarbeiten, sowie auch eine öffentlichkeitswirksame geeignete Darstellung von positiven Beispielen einer Gartengestaltung durch Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Peine.

 

Die vorbeschriebenen Maßnahmen werden gegebenenfalls zusätzliche Haushaltsmittel notwendig machen. Insbesondere wenn darüber entschieden werden sollte, etwaige Förderprogramme für einen möglichen Rückbau von Schottergärten einzuplanen. Auch wären zusätzliche Personalstellen im Haushalt zu berücksichtigen, um regelmäßiges gezieltes ordnungsbehördliches Einschreiten seitens der Bauaufsichtsbehörde im gesamten Landkreis Peine zu ermöglichen.

 

 

Ziele / Wirkungen:

 

Eine Reduktion ökologisch negativ bewerteter Schottergärten wirkt sich positiv auf den Klima- und den Naturschutz aus, da diese Art der Kiesflächen insbesondere die heimische Tierwelt nicht ausreichend nutzen kann. Die Flächen bieten weder Nahrung noch Unterschlupf, was den Schutz von Tier und Natur ergänzend erschwert. Zudem wird durch das eingebrachte Vlies oder Folie das Versickern von Regenwasser reduziert bzw. sogar verhindert. Bei groß angelegten Schotterflächen lassen sich zudem negative Auswirkungen auf das Kleinklima feststellen, da diese Flächen im Sommer die Wärme speichern und durch Abkühlung die Transpiration von Pflanzen fehlt. Zur Stärkung des Klima-, Umwelt- und Naturschutzes sind solche Schotterflächen deutlich zu reduzieren.

 

Ressourceneinsatz:

 

Eine konsequentere Verfolgung von Einzelfällen baurechtswidriger Schottergärten kann die Bauordnung jedoch nicht sicherstellen, da durch verknappte Personalressourcen eine konsequente regelmäßige Bearbeitung dieser zusätzlichen Aufgabe aktuell nicht glich ist.

 

Schlussfolgerung:

 

Es ist vorgesehen, die weitere Vorgehensweise im zuständigen Fachausschuss „Ausschuss für Bauen und Liegenschaften“ zum nächstmöglichen Termin zu erörtern.
 


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