Inhalt

Vorlage - 2023/049  

Betreff: Sachstand zur Umsetzung des Niedersächsischen Hundegesetz (NHundG) - konstruktive Problemlöseansätze und die Herausforderungen im Vollzug
Status:öffentlichVorlage-Art:Informationsvorlage
Federführend:Fachdienst Veterinärwesen Bearbeiter/-in: Scholz, Imme
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz Kenntnisnahme
06.06.2023 
Sitzung des Ausschusses für Umwelt- und Verbraucherschutz zur Kenntnis genommen   

Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Ausgabenentwicklung Unterbringung gefährlicher Hunde  
Fallzahlen und Maßnahmen im Zusammenhang mit gefährlichen Tieren  


 

Im Budget enthalten:

ja

Kosten (Betrag in €):

ca. 200.000 €

Mitwirkung Landrat:

nein

Qualifizierte Mehrheit:

nein

Relevanz

Gender Mainstreaming

nein

Migration

nein

Prävention/Nachhaltigkeit

nein

Bildung

nein

Klima-/Umwelt-/Naturschutz

nein

 

 


 


Inhaltsbeschreibung:

 

Im Jahr 2000 wurden nach der Tötung eines 6jährigen Jungen durch zwei Kampfhunde inmitten der aufgrund diverser Beissvorfälle bereits bestehenden Diskussion um die Kampfhundproblematik relativ zeitgleich in allen Bundesländern Hundeverordnungen bzw. Landeshundegesetze erlassen oder bestehende verschärft.

Bis heute gehen aus den Daten des Statistischen Bundesamtes jährlich durchschnittlich 4 menschliche Todesfälle durch Hundebisse hervor. In einer Studie der Berliner Charité wird von jährlich durchschnittlich 30.-50.000 Bissverletzungen an Menschen ausgegangen, davon ca. 30.000 durch Hunde, diese Zahl soll auch aus Daten der Haftpflichtversicherungen hervorgehen. Die Datengrundlage zu Bissverletzungen ist jedoch nur beschränkt aussagekräftig, da es keine bundeseinheitliche Erfassung gibt, lediglich Sachsen-Anhalt hat in seinem Landes-Hundegesetz eine Meldepflicht von Bissverletzungen durch Hunde für TierärztInnen sowie die Meldebefugnis für menschliche Bissopfer behandelnde Humanmediziner eingeführt. Aus der sehr detaillierten Berliner Hundebissstatistik zeigt sich eine annähernde Gleichverteilung bei Vorfällen, die Hund-Mensch-Vorfälle und HundHund-Vorfälle betrafen, wobei die Hund-Mensch Vorfälle insgesamt zahlreicher als die Hund-HundVorfälle registriert wurden, so dass sich für das gesamte Bundesgebiet von ähnlichen Fallzahlen bei den Hund-Hund-Vorfällen annehmen lässt. Ob sich hier ggf. Faktoren wie eine höhere Meldebereitschaft bei Übergriffen auf Menschen in den Berliner Zahlen wiederspiegeln, ist nicht bekannt. Eine erhebliche Dunkelziffer ist jedoch anzunehmen.

 

Die Hunde-Verordnungen und Gesetze wurden von Beginn an kontrovers diskutiert, Kritik betraf sowohl die Wirksamkeit als auch die Verhältnismäßigkeit der beschlossenen Maßnahmen, als auch tierschutzrechtliche sowie verfassungsrechtliche Aspekte. In der heute in Niedersachsenltigen Fassung des NHundG aus dem Jahr 2011 sind viele der in der Vergangenheit angefochtenen Punkte ausgeräumt worden und auf Basis des NHundG getroffene Entscheidungen werden regelmäßig obergerichtlich bestätigt. Anders als andere Bundesländer hat Niedersachsen frühzeitig auf den Einsatz der sogenannten Rasselisten verzichtet, und stellt bei der Feststellung rein auf Tatsachen ab, die rasseunabhängig den Verdacht einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den individuellen Hund rechtfertigen, wodurch dem Nds. NHundG eine gewisse Vorbildfunktion gegenüber den auf Rasselisten basierenden Gesetzen anderer Bundesländer zukommt.

gliche zukünftige Änderungen betreffen vor allem die strittige Frage der Rehabilitation einmal für gefährlich erklärter Hunde, aus der Politik kommt jedoch auch in Niedersachsen immer wieder die Frage nach dem Instrument einer Rasseliste.

 

Regelungsinhalte NHundG

 

Erklärtes Ziel des niedersächsischen Hundegesetzes ist es, präventiv einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch das Halten von Hunden entgegenzuwirken. Dabei geht es insbesondere um die Prävention von Beißvorfällen, darüber hinaus aber auch um die Prävention von sonstigem auffälligen störenden und gefährdenden Verhalten von Hunden (und Hundehaltern). Das Gesetz setzt auf die Schulung der Hundehalterinnen und Hundehalter durch den zu erbringenden Nachweis ihrer Sachkunde, die Kennzeichnung und Registrierung der gehaltenen Hunde im Zentralen Hunderegister, sowie die Verpflichtung, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.

Auf sogenannte Rasselisten verzichtet Niedersachsen mit dem 2011 verabschiedeten NHundG, dieser Vorgehensweise haben sich Schleswig-Holstein 2016, Thüringen 2018 und Mecklenburg-Vorpommern 2022 angeschlossen. Alle anderen Bundesländer führen Rasselisten mit unterschiedlicher Anzahl geführter Rassen, sowie zum Teil verschiedener Kategorien von „Gefährlichkeit“ (Regelvermutung der unwiderleglichen Gefährlichkeit z.B. bei Pitbull oder AmStaff und wiederlegbare Gehrlichkeit (In Brandenburg durch Wesenstest z.B. beim Dobermann). Interessanterweise folgen die Länder dabei nicht den bundesgesetzlichen Vorgaben an die Gefährlichkeit, wie sie im „Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz HundVerbrEinfG“r Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier und deren Kreuzungen definiert sind, der Bund folgt jedoch den landesgesetzlichen Vorgaben beim Verbot der Einfuhr und des Verbringens in die jeweiligen Länder.

Als Nebeneffekt des NHundG wird auch eine Verbesserung der tierschutzrechtlichen Belange bei der Hundehaltung angenommen, die durch die zwingend zu erbringende Sachkunde der Tierhalter erreicht werden soll.

 

Zuständigkeiten NHundG:

 

Die Zuständigkeiten für den Vollzug des NHundG sind aufgeteilt:

Die Gemeinden (und kreisfreien Städte) überwachen die Einhaltung der §§ 2 bis 6 und 14 (allgemeine Anforderungen an das Halten von Hunden, sowie an das Führen von als „Gefährlich“ erklärten Hunden.

Die Fachbehörden (Veterinämter) überwachen die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes im Übrigen: Gefährlichkeitsprüfung und Feststellung, Erlaubnisverfahren zum Halten „gefährlicher Hunde“ und im Zusammenhang damit erforderliche Maßnahmen.

 

Verfahrensgang nach Meldungen von Hundevorfällen im Landkreis Peine

 

Nach Eingang von Hinweisen auf eine vermutete oder tatsächliche Gefährlichkeit im Sinne des NHundG erfolgt die Prüfung des Sachverhalts überwiegend nach Aktenlage, nötigenfalls ergänzt durch eine Einbestellung ins Amt und physische Begutachtung des Hundes und der Hund-Halter-Interaktion sowie nötigenfalls auch einer Vor-Ort-Kontrolle der Haltung.

Ergibt die Prüfung der Gesamtumstände, dass der auf Tatsachen begründete Verdacht, dass von dem betreffenden Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, gerechtfertigt ist, so stellt die Behörde fest, dass der Hund gefährlich ist.

Ein Ermessensspielraum der Fachbehörde, ob sie prüfend tätig wird, ist hierbei ebenso reduziert, wie das Ermessen zur Feststellung der Gefährlichkeit, sobald diese Prüfung Tatsachen ergibt, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.

 

Obergerichtlich ist bereits seit längerem geklärt, dass die so festgestellte „Gefährlichkeit“ im Sinne des NHundG, auch durch einen im darauffolgenden Erlaubnisverfahren zur weiteren Haltung des Hundes absolvierten positiven Wesenstest nicht widerlegt wird.

Der erfolgreich absolvierte Wesenstest weist vielmehr nur nach, dass Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten innerhalb der Vorgaben für gefährliche Hunde grundsätzlich besteht, und ist eine der Voraussetzungen (Zuverlässigkeit, erfolgreich absolvierte praktische Sachkundeprüfung, Volljährigkeit, Haftpflichtversicherung) dafür, dass ein gefährlicher Hund weiterhin gehalten werden darf.

Stellt der Halter eines für gefährlich erklärten Hundes keinen Antrag auf die weitere Haltung des Hundes, werden die für die Erlaubniserteilung erforderlichen Unterlagen nicht innerhalb von drei (nach Fristverlängerung spätestens sechs) Monaten vorgelegt, erfüllt der Tierhalter die genannten Voraussetzungen für die Gewährung der Erlaubnis nicht oder ist persönlich nicht geeignet, oder besteht ein gefährlicher Hund den Wesenstest nicht, ist die Erlaubnis zum Halten des gefährlichen Hundes zu untersagen ein Ermessensspielraum der Fachbehörde besteht hier ebenfalls nicht.

 

Da ein gefährlicher Hund in Niedersachsen außerhalb des Erlaubnisverfahrens ohne Erlaubnis nicht gehalten werden darf, ist ein gefährlicher Hund in diesen Fällen an ein Tierheim oder eine ähnliche Einrichtung oder nach außerhalb Niedersachsens abzugeben. Bei Abgabe des Hundes an ein Tierheim/eine ähnliche Einrichtung in Niedersachsen darf der Hund nicht mehr innerhalb Niedersachsens vermittelt werden.

 

Dies führt dazu, dass die Zahl der in Tierheimen untergebrachten gefährlichen Hunde steigt, und, da Tierhalter, deren gefährliche Hunde sichergestellt werden mussten, häufig nicht zahlungsfähig sind, erhebliche Kosten durch den Landkreis und damit letztlich durch den Steuerzahler ausgelegt werden müssen. Geeignete Plätze für die Unterbringung, Resozialisierung und Vermittlung dieser Hunde sind extrem rar.

 

Aktuell sind noch 5 vom Landkreis Peine für gefährlich erklärte Hunde untergebracht. Vermittlungen dieser Hunde an geeignete Halter sind erfahrungsgemäß sehr schwierig und erfordern einen hohen Aufwand. Die Kosten der Unterbringung belaufen sich auf rund 500 700 pro Monat, hinzu kommen Kosten für tierärztliche Behandlungen und ggf. auch Verhaltenstraining, Verhaltenstherapie sowie Aufwendungen für den Wesenstest, um solche Hunde vermittlungsfähig zu machen. r einzelne nicht vermittelbare Hunden sind dadurch schon Unterbringungskosten von bis zu 20.000 aufgelaufen.

 

Ausblick:

Aktuelle Rahmenbedingungen, Herausforderungen und daraus resultierende Schlussfolgerungen und zukünftige organisatorische wie finanzielle Auswirkungen für unsere Arbeit

 

Im Landkreis Peine gibt es keine geeignete Einrichtung zur Langzeitunterbringung, Resozialisierung und Vermittlung von für gefährlich erklärten Hunden. Das örtliche Tierheim des Tierschutzvereins Peine kann zwar als Zwischenlösung für wenige Tage vorübergehende Unterbringungsglichkeiten bereitstellen, abgesehen von wenigen Einzelllen bestehen dort aber keine personellen Kapazitäten für die aufwändigen Maßnahmen, (Sozialisierung, Begleitung Verhaltens-therapie/Training/ Vorstellung zum Wesenstest/Vermittlung) die in den meisten Fällen sichergestellter gefährlicher Hunde erforderlich sind.

Derzeit werden im Rahmen des NHundG sichergestellte Hunde daher jeweils Einzelfall bezogen in diversen Hundepensionen oder auch Tierheimen, die die entsprechenden Dienstleitungen anbieten, außerhalb des Landkreises untergebracht.

Vorbereitung zum Wesenstest, ggf. notwendige Verhaltenstherapie oder Hundeschule, die eine ansonsten meist aussichtslose Vermittlung vielfach erst ermöglichen, sind jedoch zusätzlich berechnete Dienstleistungen. Die Investition in derartige Maßnahmen ist zum einen tierschutzrechtlich geboten, da eine langfristige reine Verwahrung sichergestellter Hunde keine artgerechte Haltung darstellt, zum anderen aber auch langfristig die Kosten der ansonsten lebenslangen Unterbringung reduzieren kann.

Alternativen zu diesem Vorgehen könnten ggf. auch Überlegungen zur Schaffung eigener Unterbringungsmöglichkeiten mit festen Kontingenten durch entsprechende Vertragsgestaltung sein.

 

Ziele / Wirkungen:

Der Ausschuss soll über Aufgaben, Rechtslage und Problemstellungen beim Vollzug des NHundG in Kenntnis gesetzt werden.

 

 

Ressourceneinsatz:

Budgeterhöhung Finanzplanung 2024 unausweichlich: Das Gesamtbudget Allgemeine Gefahrenabwehr sieht aktuell nur 20.000,-€ für Unterbringungskosten vor, die die gestiegenen Aufwendungen nicht mehr decken.

 

Schlussfolgerung:

Der Ausschuss nimmt die Sachverhaltsdarstellung zur Kenntnis.

 


 


-Ausgabenentwicklung Unterbringung gefährlicher Hunde

-Fallzahlen und Maßnahmen im Zusammenhang mit gefährlichen Tieren

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Ausgabenentwicklung Unterbringung gefährlicher Hunde (52 KB)      
Anlage 2 2 Fallzahlen und Maßnahmen im Zusammenhang mit gefährlichen Tieren (42 KB)