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Vorlage - 2023/060  

Betreff: Windenergieausbau im Landkreis Peine
Status:öffentlichVorlage-Art:Informationsvorlage
Federführend:Fachdienst Umwelt Bearbeiter/-in: Wemmel, Wiebke
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz Kenntnisnahme
06.06.2023 
Sitzung des Ausschusses für Umwelt- und Verbraucherschutz zur Kenntnis genommen   

Finanzielle Auswirkungen
Sachverhalt
Anlage/n


 

Im Budget enthalten:

nein

Kosten (Betrag in €):

0 €

Mitwirkung Landrat:

nein

Qualifizierte Mehrheit:

nein

Relevanz

Gender Mainstreaming

nein

Migration

nein

Prävention/Nachhaltigkeit

nein

Bildung

nein

Klima-/Umwelt-/Naturschutz

ja

 

 


 


Ziel der Bundesregierung ist es, dass im Jahr 2030 erneuerbare Energieträger 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs abdecken sollen. Windkraftanlagen (WKA) an Land spielen dafür eine entscheidende Rolle. Sie sollen bis 2030 rund 115 Gigawatt an installierter Leistung beitragen.

Ziel der Landesregierung ist es, in Niedersachsen 30 Gigawatt (GW) Windenergie-Leistung bis 2035 an Land zu installieren. Das entspricht einem Zubau von rund 18 GW. Jährlich sollen dafür 1,5 GW an Leistung dazu kommen, was in etwa den Bau einer neuen Windenergieanlage pro Tag bedeutet. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 kamen mit etwa 100 neuen Windkraftanlagen insgesamt rund 450 Megawatt (MW) Leistung in Niedersachsen hinzu.

 

Derzeit werden im Landkreis Peine 76 Windkraftanlagen mit rund 166 MW betrieben, 7 befinden sich in laufenden Genehmigungsverfahren der Unteren Immissionsschutzbehörde. Weitere 29 WKA (144 MW) wurden bereits genehmigt, sind aber noch nicht errichtet. Bei 38 WKA ist ein Rückbau geplant oder sie sind außer Betrieb genommen. Für 13 von diesen 38 WKA wurden bereits Repowering Anträge angekündigt; weitere werden erwartet. Für weitere 40 Vorhaben werden zurzeit in einem ersten Schritt die erforderlichen Kartierungsumfänge mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt.

 

Die Anzahl der Verfahren in der Untere Immissionsschutzbehörde hat seit der Änderung des EEG 2017 stetig zugenommen. Dabei handelt es sich nicht nur um Neugenehmigungen, sondern auch um das Repowering bestehender Anlagen, Anträge auf Weiterbetrieb sowie Änderungsanträge bspw. die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung.

Es wird damit gerechnet, dass die Anzahl der Verfahren für Neugenehmigung weiter steigt. Grund dafür ist zum einen das Ziel mehr erneuerbare Energie zu erzeugen und zum anderen der grundsätzlich steigende Bedarf an „grüner“ Energie, bspw. in der Industrie.

Da viele bestehende Anlagen im Landkreis in den nächsten Jahren eine Betriebslaufzeit von etwa 20 Jahren erreichen werden, wird auch mit einer steigenden Anzahl von Repowering-Vorhaben gerechnet.

 

Neben der steigenden Anzahl an Verfahren kommt auch eine steigende Komplexität der Bearbeitung hinzu. Grund dafür ist die Einführung mehrere neuer Gesetze und Verordnungen, die das Ziel haben, den Ausbau der Windenergie an Land zu erhöhen und zu beschleunigen (WindBG, EU-NotVO, Windenergieerlass) sowie die Änderungen bestehender Gesetze. Dazu gehören neben den geplanten Änderungen mit dem „Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht“ verschiedene Anpassungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und der Verordnung zur Durchführung des Genehmigungsverfahrens (9. BImSchV).

Beispiele sind u. a. die Einführung des § 16 b BImSchG mit Vorgaben und Erleichterungen zum Repowering von Windenergieanlagen und die Öffnung von Landschaftsschutzgebieten und dem Wald für die Errichtung von Anlagen sowie eine erhöhte Zahl artenschutzrechtlicher Ausnahmen im BNatSchG. Neu ist auch, dass das WindBG auf Antrag des Antragsstellers eine Änderung der zu prüfenden Inhalte und somit der Verfahrensvorgaben im laufenden Verfahren zulässt.

 

Aufgrund der Vielzahl neuer Rechtsnormen, einschließlich neuer Fristen, Stichtage und Sanktionen entsteht bei den Unteren Immissionsschutzbehörden im Genehmigungsverfahren und auch bei Gerichtsverfahren ein zusätzlicher Aufwand.r Bearbeitung der immissionsschutzrechtlichen Verwaltungsverfahren sind Genehmigungszeiten vorgegeben: drei Monate für Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung und sechs Monate für das öffentliche Verfahren. Damit es nicht zu einem Flaschenhalseffekt und entsprechenden Klagen kommt, kann bei einer Erhöhung der Anzahl der Windkraft-Genehmigungsverfahren eine Beschleunigung und zeitgerechte Abarbeitung nur erreicht werden, wenn die zuständige Untere Immissionsschutzbehörde mit entsprechendem Personal ausgestattet ist.

Trotz der Vereinfachungen r den Antragsteller bleibt die Bearbeitung eines Plangenehmigungsverfahrens nach dem BImSchG komplex und es bedarf einer längeren Einarbeitungszeit und Erfahrung, bevor ein Verfahren selbstständig und vor allem rechtssicher geführt werden kann.

 

Anzumerken ist in Hinblick auf das Ziel „Bau einer neuen Windenergieanlage pro Tag, dass sich Verzögerungen häufig nicht aufgrund langer Bearbeitungszeiten, sondern aufgrund von unvollständigen Unterlagen und entsprechenden Nachforderungen ergeben. Nach der Genehmigung kommen gerichtliche Überprüfungsverfahren, keine Antragstellung nach dem EEG bzw. dort erst verspätete Zuschlagserteilung und Bauverzögerungen wegen Fachkräfte- und zurzeit vor allem Baustoffmangel hinzu.

 

Durch das am 1. Februar 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land (Windenergieflächenbedarfsgesetz WindBG) werden Flächenziele für den Bau von Windenergieanlagen für die Bundesländer vorgegeben. Diese sollen bis Ende 2027 bzw. 2032 erreicht werden. Demnach müssen in Niedersachsen landesweit mindestens 2,2 Prozent der Landesfche für Windkraft ausgewiesen werden und damit doppelt so viel wie die bisherigen 1,1 Prozent. Die 2,2 Prozent der Landesfläche beziehen sich auf eine "Rotor-out Planung", was bedeutet, dass die Rotoren auch über die Flächengrenzen hinausragen dürfen.

 

Das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hat eine Windflächenpotentialanalyse erstellen lassen, die r die einzelnen Planungsräume Flächenpotenzialer den Ausbau in Niedersachsen aufzeigt. In einem eigenen Windenergie-Beschleunigungs-Gesetz soll u. a. auf Grundlage dieser Potentialanalyse r Niedersachsen rechtsverbindlich festgelegt werden, wieviel Windfläche in den jeweiligen kreisfreien Städten, den Landkreisen, dem Regionalverband Großraum Braunschweig und der Region Hannover mindestens ausgewiesen werden muss. Ziel der Landesregierung ist es, dass diese Flächenvorgaben schon bis zum 31. Dezember 2026 umgesetzt sind.

 

Die Festlegung der Flächen erfolgt durch den Regionalverband Braunschweig als Träger der Regionalplanung. Daher können jetzt weder die Flächen noch der Zeitpunkt, wann diese bekannt sind, mitgeteilt werden.

 

Nach aktuellem Kenntnisstand muss der Regionalverband 3,18 % seiner Verbandsfläche ausweisen. Für den Landkreis Peine beträgt das Flächenziel voraussichtlich 3,8 % der Landkreisfläche (20,387 km²). Dies ist nahezu eine Verdopplung zu der bisher mit der 1. Änderung des RROP 2008 ausgewiesenen Fläche von rund 2 %.

 

Liegt die Flächenausweisung des Regionalverbands nicht bis Ende 2026 in Form von „Teilplänen Windenergie oder einem geänderten regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) vor, sollen nach heutigem Stand Windkraftanlagen auch außerhalb der bis dahin festgelegten Bereiche errichtet werden können.

 

Niedersachsen ist bestrebt ein Mehr an Bürgerbeteiligung und kommunaler Beteiligung zu ermöglichen und beabsichtigt selbst ein Gesetz zu schaffen, das Bürgerbeteiligung stärkt und verpflichtende Zahlungen nach § 6 EEG ab Herbst 2023 vorschreibt. Diese Beteiligung kann z. B. in Form von Anteilen für Bürgerenergiegesellschaften oder durch direkte Beteiligung der Gemeinden oder Sparbriefe für Anlieger im Umkreis der Anlagen ausgestaltet werden. Eine Beteiligung soll sowohl bei Windenergie- als auch bei großen Freiflächenphotovoltaik-Anlagen angeboten werden, die ab Herbst 2023 in Betrieb genommen werden. Ziel ist es ist, dass dies die Akzeptanz in der Bevölkerung steigt und mehr Vorhaben realisiert werden.

 

Das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz stellte im März 2023 die Ergebnisse der obengenannten Windflächenpotentialanalyse vor. Die Ergebnisse sollten darstellen, welche Flächen für die Errichtung von Windenergieanlagen in Niedersachsen zur Verfügung stehen. Diese Ergebnisse sind allerdings teilweise fehlerhaft, da nicht alle potentiellen Einflüsse hinsichtlich der Eignung berücksichtigt wurden. Es werden somit Flächen als geeignet dargestellt, die nicht genutzt werden können. Diese Fehler wurden dem Ministerium durch die Kommunen mitgeteilt, eine Korrektur der dargestellten Flächen erfolgte nicht, da die Potentialanalyse keine rechtlich bindende Wirkung hat. Sie stellt eine Abschätzung dar. Die Veröffentlichung der Ergebnisse führt allerdings zu einer hohen Anzahl von Projektierern, die bei der Unteren Immissionsschutz- und Naturschutzbehörde Anfragen stellen.

 

Im Dezember 2022 beanstandete das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg die 1. Änderung des RROP 2008. Der Regionalverband hat dagegen Beschwerde eingereicht, weshalb die 1. Änderung solange Bestand hat, bis diese behandelt und beschieden wird.

 

Ausblick:

Mit dem Ziel der Landesregierung bis 2035 jährlich 1,5 GW an Leistung in Form von Windenergie zuzubauen und den dieses Ziel flankierenden Gesetzesänderungen wird mit einem erhöhten Arbeitsaufwand in der Unteren Immissionsschutzbehörde in Bezug auf Verfahren zur Errichtung und zum Betrieb von Windenergieanlagen gerechnet. Begründet wird dies durch die steigende Anzahl und die Zunahme der Komplexität der Genehmigungsverfahren. Darüber hinaus wird eine weitere deutliche Steigerung der Arbeitsbelastung erwartet, sobald die Windvorrangflächen im Rahmen des erforderlichen Beteiligungsverfahrens zum RROP oder -Teilprogramm durch den Regionalverband bekannt gegeben werden. Es ist davon auszugehen, dass die Projektierer/Antragsteller für diese neuen Bereiche fast zeitgleich ihre Anträge stellen.

 

 

 

Ziele / Wirkungen:

Verschaffung eines Überblicks über den aktuellen Ausbau der Windenergie im Landkreis sowie über die aktuellen umfangreichen Gesetzesänderungen des Umwelt- und Naturschutzrechts. Die Gesetzesänderungen haben zum Ziel, den Ausbau der Windenergie an Land zu erhöhen und zu beschleunigen, um die Klimaziele zu erfüllen.

 

Ressourceneinsatz:

Entfällt.

 

Schlussfolgerung:
Der Ausschuss nimmt die Sachverhaltsdarstellung zur Kenntnis.

 


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